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Soziale Medien mit Kommentarfunktion können mitbestimmungspflichtige Überwachungseinrichtungen sein

Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 04.05.2023 (Az: 5 P 16.21) entschieden, dass soziale Medien mit Kommentarfunktion eine mitbestimmungspflichtige Überwachungseinrichtung sein können.

1. SACHVERHALT

Die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) betreibt -teilweise auch zusammen mit anderen Rentenversicherungsträgern – bei Facebook, Twitter und Instagram eigene Seiten und Kanäle. Diese Seiten und Kanäle dienen in erster Linie der Öffentlichkeitsarbeit und der Personalgewinnung. Stellt die Deutsche Rentenversicherung dort Beiträge ein, können diese Nutzer kommentieren und dabei auch das Verhalten einzelner Beschäftigter im Rahmen von schriftlichen Beiträgen beurteilen. Die Beiträge und Kommentare werden von den Betreibern der jeweiligen Plattform gespeichert, aber nicht gesondert für die Deutsche Rentenversicherung ausgewertet.

Das Verwaltungsgericht bejahte das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts des Personalrats. Das Oberverwaltungsgericht verneinte hingegen das Bestehen eines solchen Rechts.

Mit der hier vorliegenden Entscheidung urteilte das Bundesverwaltungsgericht, dass die Frage des Bestehens eines Mitbestimmungsrechts in solchen Konstellationen allein im Einzelfall beurteilt werden könne. Die Sache wurde daher an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.

2. ENTSCHEIDUNG

Das Bundesverwaltungsgericht lässt sich bei seiner Begründung insbesondere von folgenden Erwägungen leiten. Nach der einschlägigen Regelung des Bundespersonalvertretungsgesetzes (BPersVG) hat der Personalrat mitzubestimmen bei der Einrichtung und Anwendung technischer Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Beschäftigten zu überwachen (§ 80 Abs. 1 Nr. 21 BPersVG). Das Mitbestimmungsrecht dient auch dem Schutz der Persönlichkeit der Beschäftigten am Arbeitsplatz und soll gewährleisten, dass Beschäftigte nicht durch eine technische Einrichtung eine ständige Überwachung fürchten müssen und dadurch unter Überwachungsdruck geraten. Dieser Schutzweck macht es erforderlich, dass bereits die Möglichkeit der Kommentarerstellung durch Nutzer der Seiten und Kanäle mit möglicherweise leistungs- und verhaltensbezogenen Angaben als selbständige Überwachungseinrichtung anzusehen sind. Denn es birgt die Gefahr, dass die Deutsche Rentenversicherung diese Kommentare auch auswertet. Allein durch diese Möglichkeit entsteht der Überwachungsdruck. Es sei aber maßgeblich, dass die Seiten und Kanäle entsprechend ausgestaltet seien. Es müsse eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass Nutzerkommentare mit Leistungs- und Verhaltensbezug auch eingestellt werden. Dafür sei auch maßgeblich in welchem Rahmen die Kommentarfunktion eingebettet sei.

3. FAZIT 

Das Landesarbeitsgericht Hamburg (Beschluss vom 13.09.2018, Az: 2 TaBV 5/18) hatte für einen Twitter-Account der Arbeitgeberin aufgrund der vorhandenen Antwortfunktion ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG ebenfalls bejaht. Mit diesen Entscheidungen wird deutlich: Die Nutzung von Seiten und Kanälen auf sozialen Medien kann im Einzelfall Mitbestimmungsrechte auslösen. Arbeitgeber, die solche Seiten betreiben (wollen), sollten sich darüber bei deren Einführung im Klaren sein.  

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