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Das betriebliche Eingliederungsmanagement – Hinweise für Arbeitgeber

Das betriebliche Eingliederungsmanagement (nachfolgend kurz: „bEM“) spielt in der arbeitsrechtlichen (nicht der betrieblichen!) Praxis insbesondere im Zusammenhang mit krankheitsbedingten Kündigungen eine erhebliche Rolle. Denn jeder Fehler kann hier schlimmstenfalls zur Unwirksamkeit der Kündigung führen.

1. BEDEUTUNG DES BETRIEBLICHEN EINGLIEDERUNGSMANAGEMENTS IN BEZUG AUF DIE WIRKSAMKEIT EINER KÜNDIGUNG

167 Abs. 2 SGB IX verlangt von Arbeitgebern, dass sie Mitarbeitenden, die in den letzten 12 Monaten mehr als sechs Wochen arbeitsunfähig erkrankt waren, ein bEM anbieten. Das Angebot oder gar die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements ist zwar keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung einer Kündigung. Allerdings sind die vom Bundesarbeitsgericht aufgestellten Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast für Arbeitgeber so hoch, dass zumindest der Versuch ein bEM durchzuführen dringend zu empfehlen ist.

Darüber hinaus ist dringend zu empfehlen, dass das bEM in zeitlicher Nähe vor Ausspruch der Kündigung durchgeführt wird. Idealerweise sollten zwischen dem letzten bEM und dem Ausspruch der Kündigung nicht mehr als ein Monat liegen.

Damit bleibt festzuhalten: Arbeitgeber, die den Ausspruch einer krankheitsbedingten Kündigung in Betracht ziehen, sollten vor Ausspruch der Kündigung zumindest den Versuch eines ordnungsgemäßen bEM durchgeführt haben.

2. WAS IST BEI DER DURCHFÜHRUNG DES BETRIEBLICHEN EINGLIEDERUNGSMANAGEMENTS ZU BEACHTEN?

Bei der Durchführung des bEM sind nicht nur die gesetzlichen Vorgaben aus § 167 Abs. 2 SGB IX zu berücksichtigen, sondern auch die strengen Anforderungen des Beschäftigtendatenschutzes.

Das Gesetz sieht zunächst vor, dass das betriebliche Eingliederungsmanagement nur mit Zustimmung des betroffenen Arbeitnehmers durchgeführt werden darf. Der Arbeitnehmer ist daher vor Beginn des bEM zu befragen, ob er überhaupt einverstanden ist. In der Regel geschieht dies im Einladungsschreiben. Da das Gesetz ebenfalls verlangt, dass der Mitarbeiter über die Ziele und die Datenverarbeitung zu informieren ist, bietet sich auch hier das Einladungsschreiben als Informationsquelle an. Denn damit kann der Arbeitgeber zudem zugleich dokumentieren, dass er der vom Gesetz geforderten Informationspflicht nachgekommen ist.

Damit bleibt festzuhalten: Mit einem umfassenden Einladungs- und Informationsschreiben wird folglich der Grundstein für ein rechtssicheres betriebliches Eingliederungsmanagement gelegt.

3. BETEILIGUNG DES BETRIEBSRAT

Viele Teile eines Verfahrens zur Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements unterliegen der erzwingbaren Mitbestimmung. So sind z.B. Verfahrensfragen in der Regel nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG (Ordnung des Betriebs) mitbestimmt. Die Nutzung und die Verarbeitung von Gesundheitsdaten wird häufig der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG (technische Überwachungseinrichtung) unterliegen. Schließlich kann eine Mitbestimmung des Betriebsrats über § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG ausgelöst werden (Gesundheitsschutz). Zahlreiche Regelungsbereiche in „typischen“ Betriebsvereinbarungen zum betrieblichen Eingliederungsmanagement allerdings allein der freiwilligen Mitbestimmung. In der Praxis regeln daher die meisten Betriebsvereinbarungen sowohl Bereiche, die der erzwingbaren Mitbestimmung unterliegen als auch jene, die lediglich freiwillig mitbestimmt sind. Die Unterscheidung ist für die Frage der Durchsetzbarkeit über eine Einigungsstelle von Bedeutung.

4. MUSTER

Nachstehend finden Sie das Muster eines Einladungsschreibens sowie das entsprechende Rückantwortschreiben des Mitarbeiters. Bitte beachten Sie, dass das Muster keine Rechtsberatung im Einzelfall ersetzt. 

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Muster Einladungsschreiben betriebliches Eingliederungsmanagement

Einladung zur Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements (§ 167 Abs. 2 SGB IX)

Sehr geehrte/r Herr/Frau xxx,

innerhalb der letzten 12 Monate waren Sie insgesamt länger als sechs Wochen arbeitsunfähig. Daher gehören Sie zu dem Personenkreis, für den in § 167 Abs. 2 S. 3 SGB IX ein betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) vorgesehen ist.

Ziel des bEM ist es, unter Einbeziehung aller Beteiligten die Möglichkeiten zu klären, wie Ihre Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und Ihr Arbeitsverhältnis erhalten werden kann. Mit dem bEM soll also insbesondere auch festgestellt werden, aufgrund welcher gesundheitlichen Einschränkungen es zu den bisherigen Ausfallzeiten gekommen ist, und es soll herausgefunden werden, ob und ggf. welche Möglichkeiten bestehen, sie durch bestimmte Veränderungen künftig zu verringern, um so eine Kündigung zu vermeiden. Es geht also um die Grundlagen Ihrer Weiterbeschäftigung.

Das bEM ist ergebnisoffen, Sie können also jederzeit gerne in das Verfahren auch Ihre eigenen Vorschläge einbringen. Auch ist die Durchführung des bEM für Sie freiwillig und von Ihrer Zustimmung abhängig. Sie können die Zustimmung jederzeit widerrufen, in diesem Fall wird das bEM nicht durchgeführt bzw. nicht fortgesetzt. Neben Ihnen nimmt an dem bEM ein Vertreter des Arbeitgebers teil. Ferner ist die Teilnahme eines Betriebsratsmitglieds vorgesehen, sofern Sie der Teilnahme nicht widersprechen.

Im bEM-Gespräch, bei der darauffolgenden Durchführung von Eingliederungsmaßnahmen im Rahmen eines individuellen Maßnahmenplans werden soweit erforderlich vom Arbeitgeber die nachfolgend genannten personenbezogenen Daten erhoben und verwendet:

−          Personaldaten, insbesondere: Namen, Geburtsdatum, Beschäftigungsdauer, Schwerbehinderung/Gleichstellung, Familienstand etc.,

−          Daten zu Fehlzeiten, insbesondere: Anzahl und Verteilung der Arbeitsunfähigkeitstage in den letzten zwölf Monaten und in vorangegangenen Zeiträumen, Arbeitsunfälle,

−          Gesundheitsdaten, insbesondere: bestehende Leistungspotenziale, gesundheits- oder schwerbehinderungsbedingte Leistungseinschränkungen, Gesundheitsstand, Kuren, Heilbehandlungen, Diagnosen, Krankheitsursachen, ärztliche Atteste,

−          Tätigkeitsdaten: insbesondere ausgeübte Tätigkeit, Arbeitsplatz- und Tätigkeitsanalysen, Gefährdungsbeurteilungen, Arbeitsschutzdaten, berufliche Qualifizierung,

−          Ablaufdaten: insbesondere Verläufe und Ergebnisse von bEM-Verfahren, von Arbeitsversuchen und von Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung sowie sonstiger arbeitsplatzbezogener Maßnahmen, innerbetriebliche Umsetzung, Anpassungen des Arbeitsplatzes oder der Arbeitsbedingungen.

Die Daten werden vertraulich und unter Beachtung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen behandelt und nur für die nachstehend genannten Zwecke erhoben und verwendet:

−          Zur Beratung, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt werden kann.

−          Zur Feststellung, welche arbeitsplatzbezogenen Maßnahmen ergriffen werden können, zur Zusammenfassung dieser Maßnahmen in einem Maßnahmenplan und zur Durchführung dieses Maßnahmenplans.

−          Zur Feststellung, inwieweit der Maßnahmenplan durchgeführt wurde und inwieweit das bEM erfolgreich war.

Nur nach Ihrer vorherigen Zustimmung werden Dritte (z.B. Rehabilitationsträger) an dem bEM beteiligt, an die in diesem Fall Ihre Daten weitergegeben werden, soweit das für die Erfüllung der Aufgaben dieser Dritten erforderlich ist.

Rechtsgrundlage für die Verarbeitung Ihrer personenbezogenen Daten im Rahmen des bEM ist § 26 Abs. 1, 3 i.V.m. § 167 Abs. 2 SGB IX.

Die Daten werden im Regelfall innerhalb von sechs Monaten nach Abschluss des bEM gelöscht, soweit ihre weitere Verarbeitung nicht für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich oder der Arbeitgeber aufgrund gesetzlicher Vorschriften zu einer längeren Speicherung verpflichtet oder berechtigt ist. Sie haben einen Anspruch auf Auskunft über die vom Arbeitgeber gespeicherten personenbezogenen Daten und bei Vorliegen der jeweiligen gesetzlichen Voraussetzungen einen Anspruch auf Bereitstellung, Berichtigung und Löschung der Daten und auf Einschränkung der Verarbeitung. Sie können sich außerdem mit Beschwerden an die zuständige Aufsichtsbehörde wenden.

Welche weiteren Daten im Verlauf eines bEM erhoben werden müssen, hängt vom jeweiligen Einzelfall ab. Sie werden aber für jede einzelne Phase des bEM erneut festlegen können, welcher Datenerhebung und -nutzung Sie zustimmen und welcher nicht.

Alle im Zusammenhang mit dem bEM erhobenen Gesundheitsdaten werden wir ausschließlich in einer separaten Beiakte zur Personalakte ablegen und auch elektronisch speichern. Sie sind nur durch die Beteiligten des bEM-Verfahrens einzusehen. Diese Personen sind auf das Datengeheimnis verpflichtet. Daneben hat der Betriebsrat gesetzliche Befugnisse zur Einsichtnahme.

Für die Durchführung eines ersten bEM-Gesprächs schlagen wir Ihnen folgende drei Termine vor, jeweils in [Beschreibung Ort]:

  • [Datum, Uhrzeit]
  • [Datum, Uhrzeit]
  • [Datum, Uhrzeit]

Sollten Sie die Durchführung eines bEM-Gesprächs wünschen, aber keinen der angebotenen Termine wahrnehmen können, bitten wir um Alternativvorschläge in den in diesem Schreiben enthaltenen Antwortfeldern.

Sie sind selbstverständlich nicht verpflichtet, über die Ursache Ihrer Arbeitsunfähigkeit oder diesbezügliche ärztliche Aussagen in unserem Gespräch Auskunft zu erteilen.

Schließlich möchte ich darauf hinweisen, dass uns bislang keine Hinweise auf eine bestehende Schwerbehinderung oder Gleichstellung vorliegen. Wir gehen daher aktuell davon aus, dass wir die bei uns gebildete Schwerbehindertenvertretung und das örtliche Integrationsamt nicht beteiligen müssen. Sollte diese Annahme nicht zutreffend sein, bitte ich um einen Hinweis unter Vorlage entsprechender Unterlagen. Bitte lassen Sie uns auch wissen, ob nach Ihrer Ansicht Leistungen zur Teilhabe oder begleitende Hilfen im Arbeitsleben gemäß § 167 Abs. 2 S. 4, § 49 Abs. 1 SGB IX in Betracht kommen. In diesem Fall würden wir – Ihr Einverständnis vorausgesetzt – das Integrationsamt zu den Terminen hinzuziehen. Gemäß § 49 Abs. 1 SGB IX werden zur Teilhabe am Arbeitsleben die erforderlichen Leistungen erbracht, um die Erwerbsfähigkeit von Menschen mit Behinderungen oder von Behinderung bedrohter Menschen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern.

Bitte teilen Sie uns durch Ausfüllen und Unterzeichnung der Antwortfelder im beigefügten Rückantwortschreiben bis zum

[Datum 14 Tage nach voraussichtlichem Erhalt des Schreibens]

mit, ob Sie am bEM teilnehmen wollen, und welche Termine für Sie passend sind. Für Rückfragen stehen wir jederzeit zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

_______________________                        _____________________________

Ort, Datum                                                                 Unterschrift

Rückantwortschreiben beM

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[Name, Personalnummer]

Das Einladungsschreiben zur Durchführung eines Betrieblichen Eingliederungsmanagements (bEM) habe ich erhalten.

Bitte jeweils ankreuzen:

  1. Mit der Durchführung des bEM bin ich

O         einverstanden

O         nicht einverstanden.

  1. Der Teilnahme eines Vertreters des Betriebsrats

O         stimme ich zu

O         stimme ich nicht zu.

  1. Der/die Gesprächstermin(e) am

O         [Datum, Uhrzeit]

O         [Datum, Uhrzeit]

O         [Datum, Uhrzeit]

ist/sind für mich passend.

oder

O    keiner der genannten Gesprächstermine ist für mich passend, ich schlage deshalb alternativ den ………………….um……………..Uhr vor.

  1. Ich möchte weitere Beteiligte vorschlagen.

O         nein

O         ja, und zwar die folgenden Personen (bitte Namen und Funktion/Art der persönlichen Beziehung angeben):

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Ort, Datum                                                                 Unterschrift

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