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Kündigung von schwerbehinderten Mitarbeitenden – Hinweise für Arbeitgeber

Die Kündigung von schwerbehinderten Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmern (oder gleichgestellter Personen) stellt viele Personalleiter/innen immer wieder vor Herausforderungen. Insbesondere der Ablauf des Verfahrens und die richtigen Zeitpunkte für die Einbeziehung von Betriebsrat, Schwerbehindertenvertretung und dem jeweils zuständigen Integrationsamt sind vielen Akteurinnen und Akteuren unklar.

Der nachfolgende Beitrag soll hier Abhilfe schaffen.

1. RECHTLICHE AUSGANGSLAGE

Schwerbehinderte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben nach § 168 SGB IX einen Sonderkündigungsschutz. Das heißt eine Änderungs- oder Beendigungskündigung ist nur wirksam, wenn zuvor das zuständige Integrationsamt seine Zustimmung erteilt hat. Eine ohne die Zustimmung des Integrationsamt ausgesprochene Kündigung ist nach § 134 BGB unwirksam.

Unter keinen Umständen sollten Arbeitgeber dieses Zustimmungserfordernis ignorieren und auf die Idee kommen, ohne diese Voraussetzung zu kündigen. Denn dann kann sich das Unternehmen nach neuester Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts schadensersatzpflichtig machen.

Sofern in dem Unternehmen auch eine Schwerbehindertenvertretung sowie ein Betriebsrat besteht, muss die Kündigung folglich drei formale Voraussetzungen erfüllen:

– Anhörung Betriebsrat (nachfolgend unter 3.)

– Beteiligung Schwerbehindertenvertretung (nachfolgend unter 4.)

– Zustimmung Integrationsamt (nachfolgend unter 5.)

2. DER RICHTIGE ABLAUF

In welcher Reihenfolge sollten die oben genannten Funktionsträger beteiligt werden?

Nach unserer Erfahrung hat es sich bewährt zunächst zeitgleich den Betriebsrat und die Schwerbehindertenvertretung zu beteiligen. Im Anschluss daran wird dann die Zustimmung beim Integrationsamt beantragt und in dem Antrag bereits die Reaktion des Betriebsrats und der Schwerbehindertenvertretung mitgeteilt.

Sofern eine außerordentliche und hilfsweise ordentliche Kündigung ausgesprochen werden soll, sind zwei Anträge beim Integrationsamt sinnvoll. Der erste Antrag in Bezug auf die außerordentliche Kündigung sollte bereits nach Ablauf der Drei-Tages-Frist des § 102 BetrVG erfolgen. Der zweite Antrag in Bezug auf die ordentliche Kündigung dann nach Ablauf der Wochenfrist des § 102 BetrVG. Ein anderes Vorgehen birgt die Gefahr, dass ein Gericht die Hemmung der Zwei-Wochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht mehr als gegeben ansieht.

Ein möglicher Ablauf könnte daher wie folgt aussehen:

  1. Anhörung des Betriebsrats (siehe Nr. 3) und der Schwerbehindertenvertretung (siehe Nr. 4)
  2. Im Anschluss und nach Ablauf der Fristen: Zustimmungsantrag beim Integrationsamt (siehe Nr. 5)
  3. Nach Zustimmungserteilung oder Eintritt der Zustimmungsfiktion:

            – Mitteilung der Entscheidung an Schwerbehindertenvertretung und Betriebsrat

            – Ausspruch der Kündigung

3. BETEILIGUNG DES BETRIEBSRATS

Hinsichtlich der Beteiligung des Betriebsrats gelten keine Besonderheiten. Es ist in der Anhörung lediglich darauf hinzuweisen, dass es sich um einen Mitarbeiter/ eine Mitarbeiterin mit Sonderkündigungsschutz handelt. Zudem sollte bereits in der Anhörung darauf hingewiesen werden, dass im Anschluss die Zustimmung des Integrationsamtes eingeholt werden wird.

4. BETEILIGUNG DER SCHWERBEHINDERTENVERTRETUNG

Die Schwerbehindertenvertretung ist vor Ausspruch der Kündigung gemäß § 178 Abs. 2 SGB IX zu beteiligen. Wichtig ist es in diesem Zusammenhang zu wissen, dass die Beteiligungspflichten gegenüber der Schwerbehindertenvertretung weitergehen, als bei der Betriebsratsanhörung. Vor Ausspruch der Kündigung hat der Arbeitgeber gegenüber der Schwerbehindertenvertretung noch zusätzlich die getroffene Entscheidung mitzuteilen. Um hier einen Gleichlauf zu haben, ist es nach unserem Dafürhalten sinnvoll, diese Mitteilung auch gegenüber dem Betriebsrat zu machen.

5. BETEILIGUNG INTEGRATIONSAMT

Die Zustimmung muss bei dem örtlich zuständigen Integrationsamt schriftlich und in zweifacher Ausfertigung beantragt werden (vergleiche § 170 Abs. 1 SGB IX) – das letzte Jahrhundert grüßt ganz herzlich. Viele Integrationsämter verlangen die Verwendung eigener Vordrucke. Daher empfiehlt es sich, vor Versendung des Zustimmungsantrages mal kurz auf der jeweiligen Internet-Seite vorbeizusurfen und sich über die Anforderungen zu erkundigen. Nachfolgend finden Sie die Webadressen aller 16 Integrationsämter (just click on it):

Baden-Württemberg

Bayern

Berlin

Brandenburg

Bremen

Hamburg

Hessen

Mecklenburg-Vorpommern

Niedersachsen

Nordrhein-Westfalen

Rheinland-Pfalz

Saarland

Sachsen

Sachsen-Anhalt

Schleswig-Holstein

Thüringen

Ordentliche Kündigung:

Bei einer ordentlichen Kündigung soll das Integrationsamt die Entscheidung innerhalb von einem Monat treffen (§ 171 Abs. 1 SGB IX). In der Praxis kann sich das Verfahren – je nach Integrationsamt und Ermittlungsaufwand – über mehrere Monate hinziehen.

Außerordentliche Kündigung:

Das Integrationsamt muss hier nach Eingang des Antrags innerhalb einer Frist von zwei Wochen seine Entscheidung treffen (§ 174 Abs. 3 SGB IX). Wird innerhalb dieser Frist keine Entscheidung getroffen, gilt die Zustimmung als erteilt (§ 174 Abs. 3 SGB IX). Aufgrund der Tatsache, dass während des Integrationsamtsverfahrens die Frist des § 626 Abs. 2 BGB gehemmt ist, empfiehlt sich folgendes Vorgehen:

Notierung der Frist und Anruf beim Integrationsamt am Tage nach Fristablauf.

Denn sollte man sich als Unternehmen zunächst zurücklehnen und auf den schriftlichen Bescheid des Integrationsamts warten, kann dies als nicht mehr unverzüglich i.S.d. § 174 Abs. 5 SGB IX angesehen werden (vgl. BAG Urt. v. 19.04.2021, Az: 2 AZR 118/11).

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