1. GRUNDLAGEN

Das klassische agile Arbeiten hat seinen Ursprung in der Softwareentwicklung (siehe agiles Manifest aus dem Jahr 2001) und wurde vorrangig mit Ziel entwickelt, den Anforderungen der schnelllebigen und digitalisierten Welt bestmöglich gerecht zu werden. Die mit Abstand am häufigsten eingesetzte Methode ist Scrum. Diese Methode beruht auf der Erfahrung, dass viele Projekte zu komplex sind, um von Anfang an in einen vollumfänglichen Plan gefasst werden zu können. Ziel des Scrums ist die kostengünstige und schnelle Entwicklung zielgruppengerechter Produkte anhand einer Vision oder Idee. In einem Scrum gibt es nur wenige Vorgaben. Feststehen aber jedenfalls drei Rollen (Scrum Master, Product Owner und Entwicklungsteam) sowie bestimmte Prozessabschnitte (Sprint-Planung, Daily, Review und die Retrospektive). Aus arbeits- und datenschutzrechtlicher Sicht sind insbesondere die nachfolgenden Punkte relevant. 

2. INSBESONDERE DIREKTIONSRECHT (§ 106 GEWO

In Bezug auf das Weisungsrecht des Arbeitgebers im Rahmen von Scrum sind grundsätzlich zwei Dimensionen zu unterscheiden. 

In der Ersten geht es um die Frage, ob der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im Rahmen seines Direktionsrecht eine agile Rolle zuweisen kann. Das ist nach überwiegender Ansicht im Regelfall zu bejahen. Denn der Arbeitgeber hat grundsätzlich ein subjektives Gestaltungsrecht, was die Arbeitsmethoden und Arbeitsansätze angeht. Sofern sich eine solche Weisung folglich im Rahmen billigem Ermessens hält und der Arbeitsvertrag mit einer genauen Tätigkeitsbeschreibung nicht entgegensteht, wird sie in der Regel rechtmäßig sein. 

In der zweiten Dimension geht es um die Frage des Direktionsrechts innerhalb des Scrums. Die Arbeitsmethode zeichnet sich insbesondere auch dadurch aus, dass sich zum Beispiel das Entwicklungsteam selbst organisiert und auch der Scrum-Master grundsätzlich keine Weisungen erteilt. Auch wenn das Gesetz (§ 106 GewO§ 611a Abs. 1 S. 2 BGB) in der Grundkonzeption davon ausgeht, der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Weisungen erteilt, besteht eine dahingehende Pflicht des Arbeitgebers, das auch stets zu tun, nicht. Der Arbeitgeber kann also auch problemlos von seiner unternehmerischen Entscheidung Gebrauch machen, und gar keine Weisungen erteilen. Dies gilt jedenfalls uneingeschränkt für das fachliche Weisungsrecht. In Bezug auf disziplinarische Weisungen ist ein Komplettverzicht hingegen nicht möglich. Denn der Arbeitgeber kann aus Compliance-Gründen im Einzelfall verpflichtet sein, personelle Maßnahmen (Abmahnung, Kündigung) umzusetzen, um Schaden von der Gesellschaft abzuwenden. Unproblematisch möglich sind aber zum Beispiel die Absprachen von Urlaubszeiten autonom durch das Entwicklungsteam und den Scrum-Master. 

3. RISIKEN BEIM EINSATZ VON EXTERNEN MITARBEITERN

Der Einsatz von externen Mitarbeitern im Rahmen eines Scrums kann auf unterschiedlichen rechtlichen Vereinbarungen beruhen. Denkbar sind zum Beispiel Werkverträge, Dienstverträge oder Arbeitnehmerüberlassung. Allen Konstrukten gemein ist, dass nahezu immer rechtliche Risiken im Hinblick auf verdeckte Arbeitnehmerüberlassung oder Scheinselbständigkeit (bei Solo-Selbständigen) bestehen. Zudem können die Folgen einer unsauberen Umsetzung gravierend sein: Nicht nur arbeitsrechtlich, sondern auch steuer- und sozialversicherungsrechtlich sowie straf- und ordnungswidrigkeitsrechtlich kann eine fehlerhafte Umsetzung ernste Konsequenzen für den Arbeitgeber haben. 

Sowohl das Bundessozialgericht als auch das Bundesarbeitsgericht beurteilen das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung mittels einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles. Die zugrunde liegende vertragliche Vereinbarung hat dabei nur eine Indizwirkung. Bei der Gesamtwürdigung spielt es insbesondere eine Rolle, inwieweit der Externe in den Betrieb eingegliedert ist und von wem er seine Weisungen erhält. Auf diese beiden wichtigsten Indizien kann man gestaltend einwirken.

WAS KANN DER ARBEITGEBER TUN, UM DIE RISIKEN ZU MINIMIEREN? 

Risiken können durch eine korrekte vertragliche Ausgestaltung und Vertragsumsetzung reduziert werden. Zunächst ist eine klar getrennte Betriebsorganisation hilfreich (räumliche Trennung der Mitarbeiter und der Externen, klare Trennung der Arbeitsmittel, keine Unternehmensemaildressen und -telefonnummern, keine Einbeziehung von Externen in Urlaubs- und Vertretungspläne etc.). Zudem sollten klare Weisungsverhältnisse bestehen (zum Beispiel keine Weisungen von Mitarbeitern gegenüber Externen, disziplinarische Maßnahmen müssen zwingend dem eigenen Arbeitgeber vorbehalten bleiben). Ferner kann der Arbeitgeber – sofern das Projekt viel Zeit erlaubt – ein Statusfeststellungsverfahren nach § 7a SGB IV bei der Deutschen Rentenversicherung Bund anstrengen. 

4. MITBESTIMMUNG DES BETRIEBSRATS

Die Einführung von agilen Arbeitsmethoden kann Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats berühren. Welche jeweils betroffen sind, hängt vom konkreten Einzelfall ab. Relevant sein können zum Beispiel: Informations- und Beratungsrechte nach § 80 Abs. 2§ 90§ 106 BetrVG, Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten nach § 99 BetrVG, Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten nach § 87 BetrVG, Beteiligung bei Personalplanung und beruflicher Bildung, §§ 9296ff. BetrVG sowie der Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten nach §§ 111ff. BetrVG

Hierzu im Einzelnen: 

Die Einführung einer agilen Arbeitsmethode kann einen Informationsanspruch des Betriebsrats nach § 80 Abs. 2 BetrVG auslösen. Der Betriebsrat ist danach rechtzeitig und umfassend zu unterrichten. Ferner kann die Zuweisung einer agilen Rolle eine Versetzung nach § 95 Abs. 3 BetrVG darstellen und daher die Zustimmung des Betriebsrats nach § 99 BetrVG erfordern. Die Einführung agiler Arbeitsmethoden löst in der Regel auch eine erzwingbare Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten nach § 87 Abs. 1 BetrVG aus. Zu nennen ist hier insbesondere die technische Überwachungseinrichtung nach Nr. 6. Denn die erforderliche Software, die das agile Arbeiten in der Regel überhaupt erst effektiv ermöglicht, erfüllt in den meisten Fällen dieses Merkmal. Daneben können Lage der Arbeitszeit (Nr. 2), Arbeits- und Gesundheitsschutz (Nr. 7) und betriebliche Lohngestaltung (Nr. 10) relevant werden.  

Die Umstellung des Betriebes oder einzelner Betriebsabteilungen auf eine agile Arbeitsorganisation kann eine Betriebsänderung darstellen. Der Arbeitgeber wäre dann verpflichtet mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich und Sozialplan (in der Regel ein Qualifizierungssozialplan) zu verhandeln. Gemäß § 111 S. 3 Nr. 4 BetrVG ist die grundlegende Änderung der Betriebsorganisation eine mitbestimmungspflichtige Betriebsänderung. Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn durch eine agile Organisation Hierarchie- und Leitungsebenen komplett entfallen. 

Nach § 111 S. 3 Nr. 5 BetrVG kann die Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden ebenfalls eine Betriebsänderung begründen. Unter Arbeitsmethode ist dabei die Art und Weise der Arbeitserbringung zu verstehen. Dies umfasst grundsätzliche alle planmäßigen Regelungen, die die Arbeitserbringung konkretisieren. Beide der vorgenannten Änderungen müssen allerdings „grundlegend“ sein. Das ist nach ständiger Rechtsprechung immer dann der Fall, wenn sie sich erheblich auf den Betriebsablauf auswirkt. Dabei ist vor allem das Ausmaß der Veränderung maßgeblich und der Betriebsablauf muss sich im Ergebnis als wesentlich anders darstellen. In einer Gesamtschau ist daher jeweils im Einzelfall zu prüfen, ob die Einführung einer agilen Arbeitsmethode diese Voraussetzungen erfüllt. Sollte das der Fall sein, sind in der Regel Qualifizierungssozialpläne eine gute Lösung. 

5. DATENSCHUTZRECHTLICHE HERAUSFORDERUNGEN

In datenschutzrechtlicher Hinsicht haben sich Betriebsvereinbarungen als Rechtsgrundlage, für die im Rahmen der agilen Arbeit erforderliche Verarbeitung personenbezogener Daten bewährt. In der Regel wird eine solche Datenverarbeitung nicht von der allgemeinen Rechtsgrundlage des § 26 Abs. 1 S. 1 BDSG gedeckt sein. Danach dürfen personenbezogene Daten von Beschäftigten u.a. für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses verarbeitet werden, wenn dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder nach Begründung des Beschäftigungsverhältnisses für dessen Durchführung oder Beendigung erforderlich ist. Diese Erforderlichkeit wird man aber in der Regel dann verneinen müssen, wenn zum Beispiel potente Softwarelösungen zur bestmöglichen Entfaltung der agilen Arbeit genutzt werden – was in der Praxis fast immer der Fall ist. Denn dann geht die Datenverarbeitung in der Regel über die bloße Durchführung des Beschäftigungsverhältnisses hinaus. 

Wer an diesem Thema interessiert ist, findet möglicherweise in diesem Seminar der BECK Akademie weitere wertvolle Hinweise und Handlungsempfehlungen.

Agiles Arbeiten und Arbeiten 4.0 – aktuelle arbeits- und datenschutzrechtliche Implikationen