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Weiterbeschäftigungsanspruch und Zwangsvollstreckung – Praxishinweise für Arbeitgeber

In nahezu jedem Kündigungsschutzprozess ist auch ein (vorläufiger) Weiterbeschäftigungsantrag Gegenstand der gerichtlichen Entscheidung. Danach wird der Arbeitgeber dazu verurteilt, den Arbeitnehmer bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens als z.B. Verkäufer weiter zu beschäftigen.

1. RECHTLICHE GRUNDLAGEN (INSBESONDERE ZWANGSVOLLSTRECKUNG)

Arbeitnehmer haben aus dem Arbeitsvertrag i.V.m. §§ 611a, 613242 BGB, Art. 12 GG einen Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung. Bei einer gerichtlichen Auseinandersetzung über die Wirksamkeit der Kündigung tritt nach Ablauf der Kündigungsfrist (bei außerordentlich fristloser Kündigung dementsprechend sofort) ein Schwebezustand ein. In diesem Schwebezustand stehen sich die Interessen des Arbeitgebers (Arbeitnehmer soll nicht in den Betrieb zurück) und die Interessen des Arbeitnehmers (Arbeitnehmer will in den Betrieb zurück) gegenüber. Diese Interessen sind bei der Frage, ob ein Weiterbeschäftigungsanspruch besteht, gegeneinander abzuwägen.

Urteile der Arbeitsgerichte sind gemäß § 62 Abs. 1 ArbGG grundsätzlich vorläufig vollstreckbar. Es bedarf daher keiner gesonderten Anordnung im Tenor des Urteils (vgl. § 704 ZPO). Ausnahme: Die vorläufige Vollstreckbarkeit wird im Urteil ausgeschlossen. Die Weiterbeschäftigung stellt eine unvertretbare Handlung dar, da sie durch einen Dritten nicht vorgenommen werden kann und ausschließlich vom Willen des Schuldners abhängig ist. Damit ist für die Durchsetzung der Zwangsvollstreckung allein ein Zwangsgeld § 888 ZPO maßgeblich.

2. REAKTIONS- UND ABWEHRMÖGLICHKEITEN DES ARBEITGEBERS

Der Arbeitgeber kann selbstverständlich zunächst die Weiterbeschäftigung „akzeptieren“ und die Arbeitnehmerin/den Arbeitnehmer weiterbeschäftigen. Er kann darüber hinaus auch das Zwangsgeld bezahlen und die Arbeitnehmerin/ den Arbeitnehmer nicht beschäftigen.

Neben diesen beiden Möglichkeiten kann sich der Arbeitgeber aber auch mit rechtlichen Mitteln zur Wehr setzen:

Nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung kann er über § 62 Abs. 1 S. 3 ArbGG beantragen die Zwangsvollstreckung aus dem vorläufig vollstreckbaren erstinstanzlichen Urteil einzustellen, sofern einer der Fälle der §§ 707 Abs. 1719 ZPO vorliegt. Dies erfordert allerdings, dass der Arbeitgeber einen nicht zu ersetzenden Nachteil glaubhaft machen kann, der durch die Beschäftigung des Arbeitnehmers / der Arbeitnehmerin eintreten würde.

Der Arbeitgeber hat außerdem die Möglichkeit – auch erst im Berufungsverfahren – einen Auflösungsantrag nach § 9 Abs. 1 S. 2 KSchG zu stellen und dies mit dem Einstellungsantrag nach § 62 Abs. 1 S. 3 ArbGG zu kombinieren. Das hat den Vorteil, dass ein in zulässiger Weise gestellter Antrag dazu führt, dass sich die Interessenabwägung im Rahmen der Zwangsvollstreckung signifikant zugunsten des Arbeitgebers verschiebt. 

Daneben besteht noch die Möglichkeit eine weitere Kündigung nach Abschluss der ersten Instanz auszusprechen. Hier kann eine zusätzliche Ungewissheit in Bezug auf den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses geschaffen werden, der ebenfalls im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen ist. Allerdings gilt das nur für Kündigungen, die auf einem neuen Lebenssachverhalt gestützt werden und nicht offensichtlich unwirksam sind.

Als letztes Mittel bleibt die Rücknahme der Berufung. Denn dadurch, dass der vorläufig vollstreckbare Weiterbeschäftigungsantrag nur bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens wirkt, wird ihm durch die Berufungsrücknahme die Grundlage entzogen.

3. FAZIT 

In der Praxis kann die erfolgreiche „Abwehr“ von Weiterbeschäftigungsansprüchen für Arbeitgeber eine Herausforderung sein. Mit durchdachtem Vorgehen ist sie allerdings in jedem Fall überlegenswert. Gerade dann, wenn der betroffene Mitarbeiter/ die betroffene Mitarbeiterin unter keinen Umständen in den Betrieb zurückkehren soll, kann sich der Aufwand lohnen.  

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