Das Hessische Landesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 28.03.2025 (Az. 10 SLa 916/24) eine spannende Entscheidung gefällt. Danach stelle allein die zeitliche Nähe zwischen Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und Kündigungsausspruch keine Maßregelung nach § 612a BGB dar. werden.
1. SACHVERHALT
Die Parteien stritten in dem vorliegenden Fall über die Wirksamkeit einer Probezeit Kündigung. Der Arbeitgeber hatte dem klagenden Arbeitnehmer während der Probezeit gekündigt. Der Kläger hatte in der Probezeit mehrere Verletzungen aufgrund eines Arbeitsunfalls erlitten. Das beklagte Unternehmen hatte zwei Tage nach der Vorlage der entsprechenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung durch den Arbeitnehmer eine Kündigung ausgesprochen. Der Kläger ist der Ansicht, dass die ausgesprochene Kündigung gegen das Maßregelung Verbot des § 612a BGB verstoßen habe.
Das Arbeitsgericht wies die Kündigungsschutzklage im Wesentlichen ab.
2. ENTSCHEIDUNG
Auch die Berufung vor dem Landesarbeitsgericht Hessen blieb ohne Erfolg und die Revision wurde nicht zugelassen.
Das Berufungsgericht begründete seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt: Nach § 612a BGB darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer nicht deshalb bei einer Maßnahme benachteiligen, weil dieser in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Ein Verstoß gegen das Maßregelung Verbot des § 612a BGB kann vorliegen, wenn der Arbeitnehmer eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegt, weil der Arbeitnehmer mit der Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zugleich sein Recht geltend macht, nicht zur Arbeit erscheinen zu müssen (vgl. hierzu BAG Urteil v. 20.5.2021, Az: 2 AZR 160/20). Ein Verstoß gegen § 612a BGB könnte also im vorliegenden Fall darin gesehen werden, dass der Arbeitnehmer kurz vor Ausspruch der Kündigung eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt hatte.
In dem zu entscheidenden Fall hatte die Kündigungsschutzklage aber unter anderem deshalb keinen Erfolg, weil der Kläger nicht darlegen konnte, dass die Kündigung allein aufgrund der vorherigen Krankmeldung erfolgte. Vielmehr konnte das beklagte Unternehmen darlegen, dass die Kündigung im vorliegenden Fall gerade aus anderen Gründen ausgesprochen wurde (zum Beispiel hatte der klagende Arbeitnehmer keine hinreichenden Deutschkenntnisse.; zudem war er an mehreren Verkehrsunfällen beteiligt.)
Diese Gesamtumstände sprachen nach Ansicht des Berufungsgerichts dafür, dass die streitgegenständliche Kündigung nicht als Reaktion auf die Arbeitsunfähigkeit des Klägers erfolgte. Vielmehr konnte die Beklagte schlüssig darlegen, dass die Kündigung auf anderen Gründen beruht. Während der ersten sechs Monate eines Arbeitsverhältnisses, die als eine Probezeit gemäß § 1 Abs. 2 KSchG ausgestaltet sind, stellt dies nach Ansicht des Berufungsgericht einen ausreichenden Vortrag da. Dieser Vortrag ist geeignet, die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen. Unterhalb der Schwelle der sozialen Rechtfertigung der Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG reichen auch Bewertungen der Arbeitgeberinnen aus.
Die bloße zeitliche Koinzidenz zwischen Arbeitsunfähigkeit des Klägers und Ausspruch der Kündigung genügen demzufolge nicht, um von einer Maßregelung ausgehen zu können
3. FAZIT
Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts zeigt, wie schnell man als Unternehmen dem Vorwurf einer unrechtmäßigen Maßregelung ausgesetzt sein kann. Arbeitgeber sind daher stets gut beraten, wenn sie auch bei so genannten Probezeit- oder Wartezeitkündigungen tatsächliche Wertungen oder besser noch objektive Umstände darlegen können, die die Kündigung tragen.