Die Entscheidung (Urt. v. 04.05.2022, Az: 5 AZR 474/22) ist der Schlusspunkt einer Reihe von Entscheidungen zum Thema Arbeitszeiterfassung, die mit dem EuGH-Urteil vom 14.05.2019 (Az: C-55/18 ECLI:EU:C:2019:402) begann. Denn nicht nur aufgrund dieser EuGH-Entscheidung, sondern insbesondere auch aufgrund zweier Entscheidungen des Arbeitsgerichts Emden (vgl. nur Urt. v. 24.09.2020, Az: 2 Ca 144/20) waren viele Unternehmen in der Folgezeit verunsichert. Diese Verunsicherung ist zwar mittlerweile vorüber, allerdings wirft dafür eine weitere Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 13.09.2022 (Az: 1 ABR 22/21) bei Arbeitgebern viele Fragen auf.

1. SACHVERHALT

Die Parteien stritten in dem Verfahren über die Vergütung von Überstunden und auch über die Frage, inwieweit diese Überstunden vom Arbeitgeber veranlasst waren.

Der Kläger war bei dem Beklagten Unternehmen als Leiter Innendienst / Assistent der Geschäftsleitung tätig. Außergerichtlich hatte er die Vergütung für insgesamt knapp 250 Überstunden gegenüber dem Arbeitgeber geltend gemacht. Der klagende Arbeitnehmer hatte für jeden Arbeitstag eine tabellarische Aufstellung gemacht, die die einzelnen Überstunden erfasste. Zudem erläuterte er darin, weshalb die Überstunden für die Erledigung der ihm obliegenden Aufgaben erforderlich waren.

Die Vorinstanzen hatten die Klage teilweise noch abgewiesen.

2. ENTSCHEIDUNG

Der klagende Arbeitnehmer war mit seiner Revision beim Bundesarbeitsgericht erfolgreich. Schulmäßig leitet das Bundesarbeitsgericht dabei den Anspruch des Klägers her. Sei die Vergütung von Überstunden weder positiv noch negativ im Arbeitsvertrag geregelt, richte sie sich nach § 612 Abs. 1 BGB. Davon ausgehend habe in dem zu entscheidenden Fall eine objektive Vergütungserwartung des Arbeitnehmers für die Vergütung von Überstunden bestanden. Neben dieser Erwartung setze der Überstundenanspruch voraus, dass der Arbeitnehmer Arbeit in einem Umfang erbracht hat, der die vereinbarte Normalarbeitszeit überschreitet und der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zudem zur Überstundenleistung veranlasst oder sie ihm zumindest zuzurechnen ist. Diesen Anforderungen habe der Vortrag des Arbeitnehmers genügt. Das hatte das Landesarbeitsgericht teilweise anders gesehen und daher die Klage teilweise abgewiesen.

Das Bundesarbeitsgericht weist in der Entscheidung zudem darauf hin, dass die Entscheidung des EuGH (s.o.) nur für den Bereich des unionsrechtlichen Arbeitsschutzrechts relevant sei. Diese Entscheidung gebe aber weder Anlass noch Legitimation, entgegen nationalen prozessrechtlichen Grundsätzen, die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Darlegungs- und Beweislast im Überstundenprozess zu ändern.

3. FAZIT 

Die Entscheidung ist erfreulich, da sie Rechtssicherheit zurückbringt. Im Überstundenprozess gelten weiterhin die allgemeinen Grundsätze in Bezug auf die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast. Daran wird auch die jüngste Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 13.09.2022 (s.o.) etwas ändern. Es bleibt aber spannend, welche Anforderungen das Bundesarbeitsgericht an die Pflicht des Arbeitgebers stellt, die Arbeitszeit seiner Mitarbeitenden zu erfassen. Inwieweit also Vertrauensarbeitszeit und sonstige Flexibilisierungsmodelle zukünftig noch Bestand haben können, bleibt daher zunächst noch unklar (zumindest bis zur Veröffentlichung der Entscheidung vom 13.09.2022). Wir werden das Thema dann noch einmal aufgreifen und uns dann dezidiert mit der Frage auseinandersetzen, welche Pflichten den Arbeitgeber in Bezug auf Arbeitszeiterfassung treffen.

Bundesarbeitsgericht zur Darlegungs- und Beweislast im Überstundenprozess