Das Landesarbeitsgericht Köln hat mit Urteil vom 03.03.2023 (Az: 6 Sa 385/21) zur fristlosen Kündigung wegen sexueller Belästigungen entschieden. Eine Abmahnung ist nicht erforderlich, wenn die sexuelle Belästigung so schwer wiegt, dass ihre Hinnahme durch den Arbeitgeber von vornherein ausgeschlossen ist.
1. SACHVERHALT
Der klagende Arbeitnehmer war seit über 35 Jahren bei der beklagten Stadt tätig. Seit 2014 war er als stellvertretender Fachbereichsleiter tätig. Nachdem im Rahmen einer durchgeführten Mitarbeiterbefragung Vorwürfe der sexuellen Belästigung gegen den Kläger aufkamen, kündigte die beklagte Stadt das Arbeitsverhältnis fristlos. Vorherige Abmahnungen lagen nicht vor.
Das Verhalten des Klägers umfasste zum einen körperliche Übergriffigkeiten, nämlich das Kneifen in die Seite einer Mitarbeiterin, das Pieksen in den Schwangerschaftsbauch einer anderen Mitarbeiterin und das Werfen von Papierschnipseln in den Ausschnitt einer dritten Mitarbeiterin.
Außerdem gab es auch verbale Übergriffe gegenüber Mitarbeiterinnen oder in Gegenwart derselben, zum Beispiel: „Braten in der Röhre; hat so einen prallen Hintern; … wie groß ihre Brüste dann sind; gerne mal auf den Hintern klatschen; schöne Beine; sportliche Figur; tolle Brüste; rote Klamotten, wenn sie ihre Tage haben; Knackarsch; Entenarsch; Atombusen; gerne mal bauchfrei sehen“ etc.
Der Kläger war der Ansicht, die Kündigung sei unwirksam, da kein wichtiger Grund gegeben sei. Außerdem sei der Personalrat nicht ordnungsgemäß angehört worden und es habe keine vorherige Abmahnung gegeben.
Das Arbeitsgericht Siegburg hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hatte Erfolg. Das LAG Köln wies die Klage ab.
2. ENTSCHEIDUNG
Nach Ansicht des LAG war die fristlose Kündigung wirksam. Die Beklagte habe einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB gehabt. Dieser ergebe sich bereits „an sich“ jeweils aus den körperlichen Übergriffigkeiten, den verbalen Übergriffen und dem über Jahre hinweg erfolgten Aufbau und der Aufrechterhaltung einer Grundsituation, die von sexualisierter hierarchischer Einflussnahme durch den Kläger geprägt gewesen sei und erst recht aus der Kombination der einzelnen Vorwürfe. Die besagten Übergriffe stellen dem LAG zufolge massive sexuelle Belästigungen dar.
Mildere Mittel als eine fristlose Kündigung kämen im konkreten Fall nicht in Betracht. Grundsätzlich setze die außerordentliche Kündigung eine Abmahnung voraus. Eine Abmahnung sei im konkreten Fall jedoch überflüssig, weil nicht mit einer Verhaltensänderung zu rechnen gewesen sei und die Pflichtverletzung derart schwer gewesen sei, dass die Hinnahme des Verhaltens – mit oder ohne Abmahnung – nach objektiven Maßstäben offensichtlich ausgeschlossen gewesen sei.
Außerdem sei der Personalrat ordnungsgemäß angehört worden (was das Arbeitsgericht noch anders gesehen hatte). Der Kläger könne sich auch nicht auf das Recht zur freien Meinungsäußerung berufen, da Bemerkungen wie „kommen Sie nach der Entbindung mal ins Büro, damit ich sehen kann, wie groß Ihre Brüste dann sind; Knackarsch; super Figur; Entenarsch; gute Figur dafür, dass sie Kinder hat; ist die schwanger?; sportliche Figur; schöne Beine; tolle Brüste; hübsche Frau, aber ungeschminkt möchte ich nicht neben der aufwachen; die Abteilungsleiterin ist eine dumme Fotze“ etc. die Menschenwürde der so Adressierten verletzten, indem sie auf ein Objekt reduziert würden.
3. FAZIT
Die Entscheidung des LAG Köln stellt eine wichtigen Beitrag zum Schutz von Frauen am Arbeitsplatz dar. Arbeitgebern ist zu raten, Strukturen zu implementieren, die sexuell belästigendes Verhalten am Arbeitsplatz frühzeitig unterbinden und Arbeitnehmer/innen vor solchen Situationen schützen. Außerdem ist ein konsequentes Vorgehen gegen solches Verhalten zu empfehlen, um Arbeitnehmer/innen für diese Thematik zu sensibilisieren.