Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 06.06.2023 (Az: 9 AZR 383/19) entschieden, dass ein Betriebsratsvorsitzender nicht zeitgleich auch die Funktion des betrieblichen Datenschutzbeauftragten innehaben könne. Der Arbeitgeber könne in einem solchen Fall in aller Regel die Bestellung zum Datenschutzbeauftragten nach Maßgabe des BDSG in der Fassung bis 24.05.2018 (a.F.) widerrufen.
1. SACHVERHALT
Der klagende Arbeitnehmer war bei dem beklagten Unternehmen Vorsitzender des Betriebsrats und zudem teilweise von der Arbeitsleistung freigestellt (§§ 37, 38 BetrVG). Er wurde im Jahr 2015 für eine in Deutschland ansässige Tochtergesellschaft zum betrieblichen Datenschutzbeauftragten bestellt. Der Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit des Bundeslandes Thüringen veranlasste die Beklagte und die weiteren Konzernunternehmen zum Widerruf der Bestellung wegen einer Inkompatibilität der beiden Ämter mit sofortiger Wirkung.
Der Kläger wehrte sich gegen diese Abberufung. Er hatte geltend gemacht, dass seine Rechtstellung als betrieblicher Datenschutzbeauftragter unverändert fortbestehe. Das beklagte Unternehmen hingegen vertrat die Ansicht, dass sich ein Interessenkonflikt bei der Wahrnehmung der beiden Ämter nicht ausschließen lasse. Diese Unvereinbarkeit stelle einen wichtigen Grund für die Abberufung dar.
Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht haben der Klage jeweils stattgegeben.
2. ENTSCHEIDUNG
Die Revision der Beklagten vor dem Bundesarbeitsgericht hatte hingegen Erfolg.
Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts war der Widerruf der Bestellung aus wichtigem Grund i.S.v. § 4f Abs. 2 S. 1 BDSG a.F. in Verbindung mit § 626 Abs. 1 BGB gerechtfertigt. Die für einen Datenschutzbeauftragten erforderliche Zuverlässigkeit könne fehlen, wenn Interessenkonflikte drohten. Ein solcher abberufungsrelevanter Interessenkonflikt sei dann anzunehmen, wenn der Datenschutzbeauftragte innerhalb eines Unternehmens eine Position oder ein Amt bekleide, die/das die Festlegung von Zwecken und Mitteln der Verarbeitung personenbezogener Daten zum Gegenstand habe. Diese Wertung des Europäischen Gerichtshofs gelte nicht nur für die Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO), sondern entsprach bereits der bisherigen Rechtslage im Geltungsbereich des BDSG a.F. Die Aufgaben eines Betriebsratsvorsitzenden und eines Datenschutzbeauftragten könnten danach nicht ohne einen Interessenkonflikt ausgeübt werden. Der Arbeitgeber dürfe dem Betriebsrat nur dann personenbezogene Daten zur Verfügung stellen, wenn diese zur Erfüllung der Aufgaben des Betriebsrats nach dem Betriebsverfassungsgesetz erforderlich sind. Der Betriebsrat entscheide durch Beschluss, welche Daten er vom Betriebsrat fordert und wie er zur Verfügung gestellte personenbezogene Daten verarbeitet. In diesem Rahmen lege er die Zwecke und Mittel der Verarbeitung fest. Die hervorgehobene Stellung des Betriebsratsvorsitzenden, der den Betriebsrat im Rahmen der gefassten Beschlüsse vertritt, hebe die erforderliche Zuverlässigkeit nach dem Bundesdatenschutzgesetz a.F. auf.
3. FAZIT
Unternehmen und Arbeitgeber sollten demnach tunlichst auf die Bestellung eines Betriebsratsvorsitzenden zum betrieblichen Datenschutzbeauftragten verzichten.