Das Landesarbeitsgericht Hessen hat mit Urteil vom 10.09.2021 (Az: 10 Sa 347/21) die gegenüber einem Busfahrer ausgesprochene außerordentliche Kündigung als wirksam angesehen, weil dieser geringe Beträge an Geldern für Fahrkarten unterschlagen hatte.
1. DER SACHVERHALT
Der klagende Arbeitnehmer war bei dem Unternehmen als Busfahrer beschäftigt. Er hat einen Grad der Behinderung von 50%. Das Unternehmen warf dem Arbeitnehmer vor, dass er in mehreren Fällen geringe Beträge (2-3 EUR) an Fahrgeldern unterschlagen habe. Für einen dieser Sachverhalte hatte der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auch bereits einschlägig abgemahnt. Für einen weiteren Vorfall beantragte der Arbeitgeber beim zuständigen Integrationsamt die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung per E-Mail/ bzw. über das Online-Verfahren des Integrationsamtes (zwischen den Parteien streitig). Das Integrationsamt erteilte die Zustimmung. Das Arbeitsgericht Offenbach hatte der Kündigungsschutzklage noch stattgegeben. Das Hessische Landesarbeitsgericht wies diese allerdings ab und sah die außerordentliche Kündigung als wirksam an.
2. DIE ENTSCHEIDUNG
Das Gericht führte zunächst aus, dass Eigentums- und Vermögensdelikte des Arbeitnehmers zulasten Arbeitgebers regelmäßig einen wichtigen Grund an sich für eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 626 Abs. 1 BGB darstellen. Denn darin liege ein erheblicher Verstoß gegen die Pflicht des Arbeitnehmers zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers nach § 241 Abs. 2 BGB. Auf die strafrechtliche Würdigung komme es dabei aber nicht an. Vielmehr sei allein der durch die Pflichtverletzung begangene schwere Vertrauensbruch maßgeblich. Das gelte im Prinzip auch bei einem rechtswidrigen Zugriff auf das Eigentum des Arbeitgebers von geringem Wert durch den Arbeitnehmer. Die Kündigung sei auch nicht unverhältnismäßig, da der Arbeitnehmer einschlägig abgemahnt worden sei. Der Arbeitnehmer könne sich daher insbesondere auch nicht auf einen im langjährigen Arbeitsverhältnis erarbeiteten Vertrauensvorschuss berufen.
Die Kündigung sei ferner auch nicht wegen eines Verstoßes gegen § 168 SGB IX (Zustimmung Integrationsamt) unwirksam. Denn selbst wenn der Zustimmungsantrag des Arbeitgebers per einfacher E-Mail eingereicht worden sei, sei das gemäß § 170 Abs. 1 S. 1 SGB IX ausreichend. Diese Vorschrift verlange nur eine schriftliche oder elektronische Einreichung.
3. FAZIT UND HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN
Die Entscheidung zeigt einmal mehr, dass auch Eigentumsdelikte bezüglich geringwertiger Sachen/Werte eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen können. Damit fügt sich die Entscheidung in die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu diesem Thema ein.
Wichtig sind auch die Ausführungen des Gerichts zu § 170 Abs. 1 S. 1 SGB IX. Will der Arbeitgeber hier kein Risiko eingehen, sollte er den Zustimmungsantrag beim Integrationsamt immer auch schriftlich stellen.