1. EINFÜHRUNG

Die Vergütung von Betriebsratsmitgliedern ist komplex, auch wenn die gesetzlichen Grundlagen diese Aussage auf den ersten Blick nicht zu stützen scheinen. Sie geben dem Arbeitgeber, der freigestellte Betriebsräte zu vergüten hat, nicht konkret vor, in welcher Höhe die Vergütung zu leisten ist. Vielmehr definieren sie lediglich einen schmalen Korridor, in dem mit den §§ 37 Abs. 478 S. 2 BetrVG und § 119 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG eine Untergrenze und mit den §§ 78 S. 2119 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG266 StGB eine Obergrenze festlegt wird. Der Arbeitgeber darf sich demnach lediglich zwischen Benachteiligung und Begünstigung bewegen.

2. DER RECHTLICHE RAHMEN

Das Betriebsratsamt ist nach dem Willen des Gesetzgebers ein unentgeltliches Ehrenamt, vgl. § 37 Abs. 1 BetrVG. Für die Tätigkeit als Betriebsrat erhält das Betriebsratsmitglied vom Arbeitgeber grundsätzlich keine gesonderte Vergütung.

Lohnausfallprinzip

Das Betriebsratsmitglied hat aber nach dem so genannten Lohnausfallprinzip Anspruch auf das Arbeitsentgelt, das es erhalten haben würde, wenn es gearbeitete hätte. Konkretisiert wird der Anspruchsumfang durch die §§ 37 Abs. 4 und 78 S. 2 BetrVG. Bei freigestellten Betriebsräten gilt das Lohnausfallprinzip ebenfalls.

Keine Benachteiligung

Im Rahmen des § 78 S. 2 BetrVG gilt hingegen: Ein Anspruch des Betriebsratsmitglieds kann dann begründet sein, wenn die Bezahlung einer geringeren Vergütung eine Benachteiligung des Betriebsratsmitglieds wegen seiner Betriebsratstätigkeit darstellt. Daraus folgt, dass sich auch eine höhere als der nach § 37 Abs. 4 BetrVG zu leistenden Vergütung ergeben kann, soweit sich das Betriebsratsmitglied (auch) ohne Betriebsratstätigkeit besser als die im Rahmen des § 37 Abs. 4 BetrVG relevante Vergleichsgruppe entwickelt hätte. 

Zwei eigenständige Anspruchsgrundlagen?

Nach zutreffender – und vom Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung bestätigter – Ansicht sind für die Vergütung von Betriebsratsmitgliedern zwei nebeneinander bestehende rechtliche Vorschriften maßgeblich, namentlich die bereits angeführten § 37 Abs. 4 BetrVG und § 78 S. 2 BetrVG. Zwar ist nach h.M. § 37 Abs. 4 BetrVG als eine Konkretisierung des allgemeinen Benachteiligungsverbots des § 78 S. 2 BetrVG anzusehen. Allerdings können beide Normen jeweils nur in Verbindung mit § 611a Abs. 2 BGB und dem Arbeitsvertrag eine eigenständige Anspruchsgrundlage bilden.

Anspruch aus dem Arbeitsvertrag?

Der Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers und damit auch des freigestellten Betriebsrates resultiert aus dem Arbeitsvertrag. Die §§ 37 Abs. 4 und 78 S. 2 BetrVG stellen in diesem Zusammenhang keine eigenständige Anspruchsgrundlage dar, sondern konkretisieren lediglich diesen – schon bestehenden – Vergütungsanspruch. Das ergibt bereits die Wortlautauslegung. Beide in Rede stehende Normen sind nicht als Anspruchsgrundlagen ausgestaltet, sondern sprechen von „Vergütung“ und meinen damit zwingend die bereits nach dem Arbeitsvertrag geschuldete Vergütung. 

3. EINZELFÄLLE

a. Vergleichsgruppen im Rahmen des § 37 Abs. 4 BetrVG

Die Einrichtung und Durchführung einer benachteiligungsfreien Vergütung kann im Rahmen des § 37 Abs. 4 BetrVG unter anderem durch die Bildung von Vergleichsgruppen erreicht werden. In die Vergleichsgruppe sollten – um den Vorgaben des § 37 Abs. 4 BetrVG zu entsprechen – nur Arbeitnehmer aufgenommen werden, die eine im Wesentlichen gleichwertige Tätigkeit wie das Betriebsratsmitglied ausüben sowie gleichwertige fachliche persönliche Qualifikationen aufweisen. Dabei müssen zwei wichtige Einschränkungen beachtet werden: Die Merkmale müssen zum einen vergütungsrelevant sein und zum anderen die Ableitung einer Regel zulassen.

Wie sieht die Anpassungspflicht konkret aus?

Die Anpassungspflicht des Unternehmens lässt sich wie folgt konkretisieren: Wird die Vergütung der gesamten Vergleichsgruppe angehoben, hat das freigestellte Betriebsratsmitglied einen Anspruch auf eine entsprechende Erhöhung der Vergütung. Sofern die Vergütungen der Arbeitnehmer der Vergleichsgruppe unterschiedlich ausfällt muss der Arbeitgeber die Vergütung des Betriebsratsmitgliedes dann anpassen, wenn die betriebsübliche Entwicklung von der Mehrheit der Mitglieder der Vergleichsgruppe erreicht wurde. Ist eine „Mehrzahl“ nicht zu ermitteln, kann ggf. der Durchschnitt der den Mitarbeitern der Vergleichsgruppe gewährten Gehaltserhöhungen maßgeblich sein. Ist kein vergleichbarer Arbeitnehmer vorhanden ist auf den am ehestens vergleichbaren Arbeitnehmer abzustellen.

aa. Vergleichsgruppenbildung

Bei der Vergleichsgruppenbildung kann der Arbeitgeber nach der diesbezüglich sehr restriktiven Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nur auf solche Arbeitnehmer zugreifen, die bei einer objektiven Betrachtung eine im Wesentlichen gleiche Tätigkeit wie das Betriebsratsmitglied in seiner letzten Tätigkeit vor Amtsübernahme ausgeübt haben. Der Vergleichsarbeitnehmer muss zudem persönlich und fachlich vergleichbar qualifiziert sein, was sich aus Ausbildung und bisherigem beruflichem Werdegang ergibt. Der Arbeitgeber hat allerdings zu beachten, dass beide Merkmale (Tätigkeit und Ausbildung) bei dem potenziell vergleichbaren Arbeitnehmer vorliegen müssen. Es ist nicht ausreichend z.B. durch die Bildung von zwei unterschiedlichen Vergleichsgruppen, von denen eine die Tätigkeit beinhaltet und die andere die Ausbildung, den Kreis der vergleichbaren Arbeitnehmer zu bestimmen. 

Vergleichsgruppen sind kein Allheilmittel

Allerdings ist im Hinblick auf die Vergleichsgruppenbildung anzumerken, dass diese kein „Allheilmittel“ darstellt. Denn der Arbeitgeber kann sich – wie oben ausgeführt – mit einer von ihm vorgenommenen Vergleichsgruppenbildung nicht über die Vorgaben des § 37 Abs. 4 und des § 78 S. 2 BetrVG hinwegsetzen. Beiden Normen sind zwingendes Recht, von dem nicht durch Vereinbarung etc. abgewichen werden kann.Jegliche Vergleichsgruppenbildung steht daher unter dem Vorbehalt, dass ein betroffenes Betriebsratsmitglied ggf. dennoch einen vergleichbaren Mitarbeiter mit betriebsüblicher Entwicklung benennen kann, sofern die vom Arbeitgeber herangezogene Vergleichsgruppe nicht als ausreichend repräsentativ angesehen wird. Allein darauf kann das Betriebsratsmitglied dann seinen Anspruch aus § 37 Abs. 4 BetrVG i.V.m. § 611a Abs. 2 BGB und dem Arbeitsvertrag stützen. 

Beispiel 1:

Das Unternehmen hat eine Vergleichsgruppe aus insgesamt 9 Arbeitnehmern gebildet. Diese sind – hier unterstellt – alle vergleichbar mit dem Betriebsratsmitglied i.S.d. § 37 Abs. 4 BetrVG. Daneben gibt es allerdings noch 9 weitere Arbeitnehmer, die ebenfalls alle mit dem Betriebsratsmitglied vergleichbar sind. Es sei hier unterstellt, dass die 9 vom Arbeitgeber gewählten vergleichbaren Arbeitnehmer nicht repräsentativ sind, um eine Vergütungsregel abzuleiten.

Das Betriebsratsmitglied könnte nun vor Gericht die ebenfalls vergleichbaren Mitarbeiter benennen. Sofern bezüglich dieser ebenfalls eine betriebsübliche Entwicklung dargelegt werden kann und der Arbeitgeber hiergegen keine Einwendungen vorbringt, kann sich hier ggf. ein Anspruch des Betriebsratsmitglieds auf eine höhere Vergütung ergeben. Diesem Risiko kann der Arbeitgeber nur dadurch begegnen, dass er möglichst alle vergleichbaren Arbeitnehmer in die Vergleichsgruppe aufnimmt. 

bb. Größe der Vergleichsgruppe

Die Größe der Vergleichsgruppe muss also stets von den konkreten Umständen des Einzelfalles abhängen. Die Gruppe muss – nach dem zuvor Ausgeführten – jedenfalls so groß sein, dass eine regelhafte Entwicklung nachgewiesen werden kann. Bei hochspeziellen Tätigkeiten kann auch die Benennung eines einzelnen vergleichbaren Arbeitnehmers ausreichend sein. Das Beispiel 1 zeigt aber auch das Risiko des Arbeitgebers bei zu klein gewählten Vergleichsgruppen.

cc. Median- oder Quotenregelung etc.

Betroffene Unternehmen, die sich zu einer Vergleichsgruppenbildung entschlossen haben, legen in der Regel zeitgleich auch eine Regel fest, ab wann das freigestellte Betriebsratsmitglied eine höhere Vergütung erhält. Nach den Erfahrungen des Unterzeichners lassen sich hier zwei Grundmuster feststellen. Es wird zum einen ein Anspruch auf eine höhere Vergütung dann als gegeben angesehen, wenn das betroffene Betriebsratsmitglied im Hinblick auf seine Vergütung unter den Median der Vergleichsgruppe fällt. Zum anderen werden häufig Quotenregelungen verwendet. Das betroffene Betriebsratsmitglied soll dann einen Anspruch auf eine höhere Vergütung haben, wenn z.B. mind. 1/3 der Mitarbeiter der Vergleichsgruppe eine höhere Vergütung erhalten. 

Beispiel 2:

Das Unternehmen aus Beispiel 1 hat – aufgrund guter anwaltlicher Beratung – seine Vergleichsgruppe auf 18 Personen erweitert (alle vergleichbar) und zudem für diese Vergleichsgruppe die Regel aufgestellt, dass die Vergütung des Betriebsratsmitglieds dann nach oben angepasst werden soll, wenn 1/3 der Mitarbeiter der Vergleichsgruppe eine höhere Vergütung erhalten als das Betriebsratsmitglied. 4 Arbeitnehmer der Vergleichsgruppe verdienen wesentlich mehr. Nach der vom Unternehmen aufgestellten Regel, wäre die Vergütung daher nicht anzupassen. 

Unterstellt man in diesem Beispielsfall, dass es außer den 18 Arbeitnehmern in der Vergleichsgruppe keine weiteren vergleichbaren Arbeitnehmer gibt, dann besteht kein Anspruch des Betriebsratsmitglieds auf Vergütungserhöhung. Denn – wie oben ausgeführt – entsteht ein Anspruch in dieser Konstellation erst dann, wenn die Mehrzahl der Vergleichsgruppe eine höhere Vergütung erhält. Zu beachten ist dabei allerdings, dass § 37 Abs. 4 BetrVG dem Betriebsratsmitglied nicht die absolut gleiche Vergütung wie vergleichbaren Arbeitnehmern gewährt, sondern stets nur die Vergütungserhöhungen vergleichbarer Arbeitnehmer.

Beispiel 3:

Das Unternehmen aus Beispiel 1 hat für seine aus 18 Arbeitnehmern bestehende Vergleichsgruppe die Regel aufgestellt, dass die Vergütung des Betriebsratsmitglieds dann nach oben angepasst werden soll, wenn das Betriebsratsmitglied unter dem Median der Vergleichsgruppe verdient. Der Median der Vergütung der Vergleichsgruppe beträgt 4.000.- EUR brutto pro Monat. Das Betriebsratsmitglied verdient 3.900.- EUR brutto pro Monat. Es sei hier unterstellt, dass bei Beginn Amtsantritt des Betriebsratsmitglieds alle Arbeitnehmer inkl. des Betriebsratsmitglieds 3.900.- EUR brutto pro Monat verdient haben. 

Nach der vom Unternehmen aufgestellten Regel, wäre die Vergütung daher anzupassen. Die Anpassung der Vergütung auf ebenfalls 4.000.- EUR brutto pro Monat ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts richtig. Etwas anderes muss allerdings dann gelten, wenn bei Amtsantritt des Betriebsratsmitglieds diese und die vergleichbaren Arbeitnehmer bereits unterschiedlich verdient haben. Dann ist gerade keine Vergütungsanpassung auf die Medianvergütung vorzunehmen. Denn andernfalls würde das Betriebsratsmitglied entgegen § 78 S. 2 BetrVG aufgrund seiner Betriebsratstätigkeit bessergestellt werden. Es sind vielmehr lediglich die in dem maßgeblichen Zeitraum erfolgten Vergütungserhöhungen weiterzugeben. 

b. Berücksichtigung von besonderen Leistungen, Schulungen, Abschlüssen während der Betriebsratszeit

Es stellt sich in der Praxis häufig die Frage, wie besondere Leistungen, Abschlüsse oder Ähnliches, die das Betriebsratsmitglied während seiner Betriebsratstätigkeit gezeigt/absolviert hat, vergütungsrechtlich zu beurteilen sind. Aus dem eingangs beschriebenen Ehrenamtsprinzip folgt zunächst, dass eine Vergütung grundsätzlich nicht an die Tätigkeiten und die besonderen Leistungen während der Betriebsratszeit geknüpft sein kann. Denn nach diesem Prinzip können die im Rahmen der Amtsausübung gezeigten Leistungen nicht Maßstab für die Vergütung sein. Sie können aber gleichwohl ein Indiz für eine überdurchschnittliche Qualifikation des Betriebsratsmitglieds sein. 

Anspruchsgrundlage

Als mögliche Anspruchsgrundlage kommt hier allein § 78 S. 2 BetrVG in Betracht. Bei richtigem Verständnis des in § 78 S. 2 BetrVG niedergelegten Benachteiligungsgrundsatzes ist die Berücksichtigung solcher im Ehrenamt durchgeführten Schulungen und Abschlüsse bei Vergütungs- und Beförderungsentscheidungen durch den Arbeitgeber zwingend. Denn andernfalls würde das Betriebsratsmitglied, bei dem diese Schulungen nicht in diesem Rahmen berücksichtigt würden, gegenüber anderen Arbeitnehmern benachteiligt. 

Entgegen einiger Stimmen in der Literatur muss allerdings kein Zusammenhang zur bisherigen Tätigkeit bestehen. Denn entscheidend ist allein die Eignung des Betriebsratsmitglieds als Bewerber für die potentielle Stelle. Verlangt man bei einem „normalen“ Arbeitnehmer im Hinblick auf eine ausgeschriebene Stelle keinen Bezug zur bisherigen Tätigkeit kann man dies wegen des Benachteiligungsverbots auch nicht von einem Betriebsratsmitglied verlangen.

c. Provisionen, Boni und sonstige Einmalzahlungen

Aus § 78 S. 2 BetrVG und dem Lohnausfallprinzip folgt, dass das freigestellte Betriebsratsmitglied Anspruch auf diejenige Vergütung hat, die es erhalten hätte, wenn es nicht freigestellt worden wäre. Hat das Betriebsratsmitglied vor seiner Amtszeit daher Prämien, Aktienoptionen oder sonstige leistungsbezogene Zahlungen erhalten, dann behält er diese Ansprüche auch während der Betriebsratstätigkeit.

4. FAZIT

Trotz einiger Unwägbarkeiten lässt sich nach Ansicht des Verfassers in betroffenen Unternehmen eine rechtskonforme Vergütungsstruktur für freigestellte Betriebsräte installieren. Die Vergleichsgruppenbildung und insbesondere die Frage, ab wann die Vergütung eines Amtsträgers in den Vergleichsgruppen angepasst wird, sollten allerdings mit größter Sorgfalt behandelt werden. Andernfalls besteht das Risiko, dass sich betroffenen Betriebsräte eine höhere Vergütung erfolgreich einklagen. Vor dem Arbeitsgericht ist dann ein sehr differnzierter Vortrag erforderlich.

Rechtsfragen rund um die Vergütung von freigestellten Betriebsratsmitgliedern