In Bezug auf langzeitkranke Mitarbeiter gibt es für Arbeitgeber in der Regel zwei Problemfelder:

(1) Die Frage nach der leidensgerechten Beschäftigung, wenn der Mitarbeiter nach überstandener Krankheit zurückkehren will.

(2) Die rechtssichere Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) . Der nachfolgende Beitrag soll beide Bereiche kurz beleuchten, wobei datenschutzrechtliche Erwägungen unterbleiben sollen.

1. DER LEIDENSGERECHTE ARBEITSPLATZ

Der leidensgerechte Arbeitsplatz ist ein Begriff, der im Arbeitsrecht sehr häufig auftaucht. Daher erstaunt es etwas, dass er im Gesetz nicht auftaucht. Es finden sich zwar Anhaltspunkte im Schwerbehindertenrecht (§ 164 Abs. 4 Nr. 4 und 5 SGB IX). Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann hieraus ein Anspruch des Arbeitnehmers auf einen der Behinderung entsprechenden Arbeitsplatz bestehen. Es kann sogar ein Anspruch auf Vertragsänderung und eine anderweitige Beschäftigung entstehen, wenn der bisherige Arbeitsvertrag die Beschäftigungsmöglichkeit nicht abdeckt. 

Außerhalb des Schwerbehindertenrechts sucht man im Gesetz allerdings vergebens. Auch hier kann sich aber ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz ergeben, der seiner Leistungsfähigkeit und seinen Kenntnissen entspricht (vgl. § 241 Abs. 2 BGB). 

ANSPRUCHSUMFANG?

Sowohl nach § 164 Abs. 4 S. 1 Nr. 4 SGB IX als auch nach § 241 Abs. 2 BGB besteht die Pflicht des Arbeitgebers, den Arbeitsplatz leidensgerecht umzugestalten, gegebenenfalls auch durch Vertragsanpassung und dem Beschäftigten einen anderen freien leidensgerechten Arbeitsplatz zuzuweisen. Der Arbeitgeber ist allerdings nicht verpflichtet einen leidensgerechten Arbeitsplatz erst zu schaffen. Dem Arbeitgeber ist die Zuweisung einer anderen Tätigkeit dann zumutbar, wenn dem keine betrieblichen Gründe, zu denen auch wirtschaftliche Erwägungen zählen können, oder die Rücksichtnahmepflicht gegenüber anderen Arbeitnehmern entgegenstehen. 

MUSS DER ARBEITGEBER EINEN LEIDENSGERECHTEN ARBEITSPLATZ FREIMACHEN?

Grundsätzlich besteht aufgrund des Anspruchs auf leidensgerechte Beschäftigung auch eine Verpflichtung des Arbeitgebers, durch Ausübung seines Direktionsrechts, einen leidensgerechten Arbeitsplatz freizumachen. Noch nicht abschließend geklärt ist allerdings, wie weit der Arbeitgeber bei Widerstand des betroffenen Mitarbeiters und/oder des Betriebsrats gehen muss. Eine Pflicht zur Durchführung eines Zustimmungsersetzungsverfahrens sowie das Freikündigen des Zielarbeitsplatzes kann man wohl nicht verlangen. Der Arbeitgeber muss sich aber gegenüber dem Stelleninhaber und dem Betriebsrat bemühen und diese Bemühungen vor Gericht auch beweisen. 

2. DAS BETRIEBLICHE EINGLIEDERUNGSMANAGEMENT

Fristete das betriebliche Eingliederungsmanagement (vgl. § 167 Abs. 2 SGB IX) nach der Einführung am 1.5.2004 zunächst noch ein Schattendasein, muss man es heute – wenn man die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts rechtssicher auf die Praxis übertragen möchte – als Wirksamkeitsvoraussetzung für eine krankheitsbedingte Kündigung ansehen. 

Sprich: Ohne vorheriges BEM ist eine Kündigung unwirksam! 

§ 167 Abs. 2 SGB IX verfolgt dabei nach der Gesetzesbegründung den Zweck, einer Gefährdung des Arbeitsverhältnisses aus gesundheitlichen Gründen möglichst frühzeitig vorzubeugen. Die Verpflichtung des Arbeitgebers ein Betriebliches Eingliederungsmanagement durchzuführen besteht gegenüber allen Arbeitnehmern, insbesondere auch gegenüber nicht schwerbehinderten Beschäftigten. 

Ein BEM ist durchzuführen, wenn ein Mitarbeiter innerhalb eines Jahres (muss nicht das Kalenderjahr sein) länger als 6 Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig ist. Sobald diese Zeitgrenze überschritten ist, muss der Arbeitgeber Kontakt mit dem Arbeitnehmer aufnehmen und ihm die Durchführung eines BEM anbieten. Der Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf Durchführung eines BEM, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen. 

WER IST ZU BETEILIGEN?

Der Arbeitgeber sollte sich bereits im Vorfeld der Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements Gedanken machen, welche Beteiligten er hinzuzuziehen hat. Dabei ist allerdings zu beachten, dass eine Beteiligung immer nur mit Zustimmung des betroffenen Arbeitnehmers möglich ist (das gilt auch für den Betriebsrat). Wer jeweils zu beteiligen ist, hängt von den Erkenntnissen des Arbeitgebers im Einzelfall ab. Beteiligte können sein: Ärzte, Bundesagentur für Arbeit, Integrationsfachdienste, Integrationsämter, Sozialversicherungsträger, Suchthilfe etc.). Auf die Möglichkeit der Hinzuziehung dieser Beteiligten hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer bereits im Einladungsschreiben zum BEM hinzuweisen.  

DURCHFÜHRUNG DES BEM WÄHREND BESTEHENDER ARBEITSUNFÄHIGKEIT?

Solange die Art der Erkrankung den Arbeitnehmer nicht tatsächlich am Erscheinen im Betrieb zur Durchführung des BEM-Gesprächs hindert, besteht kein sachlicher Grund für eine Verweigerung. Denn dieses Gespräch hat nichts mit der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung zu tun, für die allein eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausgestellt wurde. 

MITBESTIMMUNGSRECHT DES BETRIEBSRATS?

Ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht steht dem Betriebsrat in Bezug auf das betriebliche Eingliederungsmanagement in nur sehr eingeschränktem Umfang zu. Insbesondere dann aber, wenn der Arbeitgeber einen strukturierten, formalen Prozess bezüglich des BEM einführen will, kann ein Mitbestimmungsrecht gegeben sein. 

FAZIT

Auch wenn in Bezug auf den leidensgerechten Arbeitsplatz noch viele Punkte unklar sind, ist der Arbeitgeber stets gut beraten, wenn er sich um die Beschaffung eines solchen Arbeitsplatzes bemüht und dies auch entsprechend dokumentiert. Fehler beim Betrieblichen Eingliederungsmanagement führen in den meisten Fällen zur Unwirksamkeit der Kündigung. Daher sollte sowohl die Vorbereitung als auch die Durchführung mit größter Sorgfalt behandelt werden.

Leidensgerechter Arbeitsplatz und Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM)