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Fristlose Kündigung bei Bedrohung des Vorgesetzten

Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat mit Urteil vom 19.01.2022 (Az: 12 Sa 705/22) entschieden, dass eine ernsthafte Bedrohung des Vorgesetzten und dessen Familie mit körperlicher Gewalt eine außerordentlich fristlose Kündigung rechtfertigt.

1. SACHVERHALT

Die Parteien stritten in dem Verfahren um die Wirksamkeit einer außerordentlichen sowie einer hilfsweise ordentlichen Kündigung. Der im Jahr 1974 geborene klagende Arbeitnehmer war bei dem beklagten Unternehmen seit 1998 als Busfahrer beschäftigt.

Das Arbeitsverhältnis war bereits vor Ausspruch der Kündigung nicht mehr frei von Belastungen. So hatte der Kläger im Jahr 2020 eine Abmahnung erhalten. Der Arbeitgeber warf dem Arbeitnehmer darin unter anderem vor, Fahrtgelder nicht rechtzeitig eingezahlt zu haben. Anfang 2020 führte der Kläger ein Gespräch mit einem Personaldisponenten des Unternehmens. Ob der Arbeitnehmer den Personaldisponenten und dessen Familie bei diesem Gespräch bedroht hat, ist zwischen den Parteien streitig. Jedenfalls erstattete der Personaldisponent nach dem Gespräch Anzeige bei der Polizei. Bei der Polizei gab der Personaldisponent unter anderem zu Protokoll: „Heute gegen 8.15 Uhr ist der Beschuldigte ins Büro gekommen und hat mich sofort gefragt, ob ich dabei war, als die Abmahnung in seinen Briefkasten geworfen wurde. Ich habe das bejaht. Er hat mich dann sofort mehrfach als Ochse beleidigt und mich gefragt, warum ich dabei war. Er hat danach gesagt, dass er mich und meine Familie schlagen werde, wenn ich noch einmal vor seinem Haus stehen würde und einen Brief in seinen Briefkasten schmeißen werde. Davon fühle ich mich auch bedroht. Ich möchte nur, dass er meine Familie in Ruhe lässt. Von der Bezeichnung Ochse fühle ich mich ebenfalls beleidigt„.

Weitere Abmahnungen in Bezug auf Verstöße der Anzeigepflicht nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz folgten. Einem Teil der Abmahnungen „widersprach“ der klagende Arbeitnehmer mit einem Rechtsanwaltsschreiben. Kurze Zeit nach dem Gespräch wurde der Kläger zu den Vorwürfen (Bedrohung in dem Gespräch) angehört. Bei diesem zweiten Gespräch duzte der Kläger seinen Vorgesetzten, obwohl dieser den Kläger mehrfach aufgefordert hatte, das zu unterlassen. Er bestritt, den Personaldisponenten bedroht zu haben.

In der Folge hörte der Arbeitgeber den Betriebsrat zur beabsichtigten außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung an und sprach diese dann auch aus.

Das Arbeitsgericht hat die Kündigung als wirksam angesehen und die Kündigungsschutzklage abgewiesen.

2. ENTSCHEIDUNG

Nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts war die Kündigung wirksam. Es liege ein wichtiger Grund i.S.d. des § 626 Abs. 1 BGB vor, weil der klagende Arbeitnehmer den Personaldisponenten und dessen Familie bei dem besagten Gespräch nach Überzeugung des Gerichts bedroht hat.

Das Gericht führte insoweit aus: „Eine ernstliche Drohung des Arbeitnehmers mit Gefahren für Leib oder Leben des Arbeitgebers, von Vorgesetzen und/oder Arbeitskollegen, für die kein allgemeiner Rechtfertigungsgrund eingreift, kommt „an sich“ als wichtiger Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB in Betracht. In einem solchen Verhalten liegt eine massive Störung oder jedenfalls konkrete Gefährdung des Betriebsfriedens. Es stellt, ohne dass es auf seine Strafbarkeit nach § 241 StGB ankäme, eine erhebliche Verletzung der sich aus § 241 Abs. 2 BGB ergebenden und den Arbeitnehmer treffenden Nebenpflicht dar, auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen. Das gilt unabhängig davon, ob das Verhalten des Arbeitnehmers auf die Herbeiführung eines bestimmten Erfolgs zielt“.

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der klagende Arbeitnehmer den Personaldisponenten bei dem Gespräch nach diesen Grundsätzen bedroht hatte. Es stellte auch fest, dass es sich bei den Drohungen um „ernstliche Drohungen“ handelte, die dazu geeignet waren, dass der Bedrohte sie ernst nimmt.

3. FAZIT 

Arbeitgeber stehen häufig vor dem Problem, dass bestimmte Aussagen von Arbeitnehmern sich vor Gericht nur schwer beweisen lassen – insbesondere in Konstellationen mit nur zwei Beteiligten. Eine Empfehlung kann hier sein bei einer potenziellen Straftat (Tätlichkeit, Beleidigung, Bedrohung) jeweils unverzüglich – wie im vorliegenden Fall geschehen – Strafanzeige zu erstatten. Bei Tätlichkeiten kann zudem ein Arztbesuch ratsam sein. Das führt nach den Erfahrungen des Autors in einem späteren Prozess dazu, dass die Aussagen des „eigenen Zeugen“ mehr Gewicht haben.