Das Bundesarbeitsgericht hat mit Beschluss vom 13.03.2024 (Az. 7 ABR 11/23) zur Zulässigkeit von Unterlassungs- und Feststellungsbegehren bei virtuellen Betriebsratssitzungen und darauffolgender Kürzung von Betriebsratsvergütungen entschieden. Danach sind auf Unterlassen der Kürzung von Entgelt gerichtete Anträge unzulässig, da sie inhaltlich die Forderung nach einer künftig anderen Abrechnung des Arbeitsentgelts und dessen ungekürzter Zahlung bedeuten. Feststellungsanträge, welche die „Nichtberechtigung“ eines Arbeitgebers zum Gegenstand haben, erfüllen nicht die Voraussetzungen nach § 256 Abs. 1 ZPO.
1. SACHVERHALT
Die Beteiligten streiten über eine vom Betriebsrat geltend gemachte Störung und Behinderung seiner Gremienarbeit durch die Arbeitgeberin und in diesem Zusammenhang über mehrere Unterlassungs- und Feststellungsansprüche.
Arbeitgeberin ist ein Unternehmen der Textileinzelhandelsbranche mit deutschlandweit zahlreichen Filialen. Antragsteller ist der in ihrer Filiale K gewählte Betriebsrat. Dieser hatte während der Covid-19-Pandemie entschieden, Betriebsratssitzungen mittels Videokonferenz durchzuführen und so seinen – mit einer täglichen Arbeitszeit von fünf bzw. sechs Stunden beschäftigten – Mitgliedern die Sitzungsteilnahme von zu Hause aus zu ermöglichen. Hierfür hatte er sich eine entsprechende Geschäftsordnung gegeben.
Zwischen August 2021 und Mai 2022 wies die Arbeitgeberin bei mehreren Betriebsratsmitgliedern auf deren Abrechnungen des Arbeitsentgelts unter „Bezeichnung“ und „Lohnart“ eine „unbezahlte Fehlzeit“ sowie „520“ aus und stellte in Abrede, dass diese während der von ihr angenommenen Fehlzeiten an Betriebsratssitzungen von zu Hause aus mittels Videokonferenz teilgenommen oder zu Hause (vor bzw. nach den virtuellen Sitzungen) Betriebsratsaufgaben wahrgenommen haben.
Hiergegen hat sich der Betriebsrat mit seinem Anfang Februar 2022 beim Arbeitsgericht eingeleiteten Verfahren gewandt und von der Arbeitgeberin das Unterlassen von Gehaltsabzügen bei Betriebsrats- und Ersatzmitgliedern – für näher angeführte Zeiten – geltend gemacht.
Er vertritt die Ansicht, in der Verfahrensweise der Arbeitgeberin liege eine gremienbezogene Behinderung seiner Arbeit, eine Benachteiligung seiner Mitglieder sowie ein Verstoß gegen das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit. Mit späteren Antragserweiterungen hat er hierzu hilfsweise Feststellungsbegehren angebracht.
Die Arbeitgeberin ist der Ansicht, zu der beanstandeten Verfahrensweise berechtigt gewesen zu sein. Es sei für sie schon mangels Ab- und Anmeldung der Betriebsratsmitglieder nicht erkennbar gewesen, ob diese während der betrieblichen Abwesenheitszeiten an virtuellen Betriebsratssitzungen teilgenommen hätten und einer Betriebsratstätigkeit nachgegangen oder schlicht unentschuldigt der Arbeit ferngeblieben seien. Daher habe sie in den Tatsacheninstanzen eine Teilnahme der Mitglieder des Betriebsrats an dessen Sitzungen von zu Hause aus ebenso wie die Wahrnehmung erforderlicher Betriebsratstätigkeit vor bzw. nach den Sitzungen zulässigerweise mit Nichtwissen bestreiten können.
Das Arbeitsgericht Köln hat die – bei ihm anhängigen – Unterlassungsbegehren abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht Köln hat die dagegen erhobene und die Feststellungsbegehren umfassende Beschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats hat das Bundesarbeitsgericht ebenfalls zurückgewiesen.
2. ENTSCHEIDUNG
Nach Ansicht des BAG sind die Unterlassungsanträge des Betriebsrats bereits unzulässig. Das Unterlassen der Kürzung von Entgelt – ausgewiesen in der Entgeltabrechnung und umgesetzt in einer abrechnungsgemäßen Entgeltzahlung – bedeute inhaltlich nämlich die Forderung nach einer künftig anderen Abrechnung des Arbeitsentgelts und dessen ungekürzter Zahlung. Das Begehren des Betriebsrats richte sich der Sache nach also auf künftige Handlungen i.S.d. § 259 ZPO. Zwar brauche sich eine geltend gemachte Unterlassungsverpflichtung nicht in einem bloßen Nichtstun zu erschöpfen, sondern könne die Pflicht zur Vornahme von Handlungen umfassen. Dem BAG zufolge, komme es jedoch bei der Frage, ob mit einer erstrebten Titulierung Handlungs- oder Unterlassungspflichten auferlegt seien, grundsätzlich auf den Schwerpunkt der jeweils in Rede stehenden Verpflichtung an.
Nach Auffassung des BAG umfassen die Rechtsschutzziele erst künftig entstehende Ansprüche. Für die Betriebsrats- und Ersatzmitglieder entstehe der Anspruch auf Abrechnung von Arbeitsentgelt nach § 108 Abs. 1 S. 1 GewO (erst) bei dessen Zahlung und der Anspruch auf Vergütung (erst) mit Erbringung der Arbeitsleistung oder bei Vorliegen der Voraussetzungen, unter denen sie Anspruch auf Vergütung ohne Arbeitsleistung haben. Vorliegend bliebe im Fall einer Titulierung der Unterlassungsbegehren zwangsläufig unklar, was mit (zu unterbleibender) „Durchführung von Gehaltsabzügen“ gemeint sei. Für die Arbeitgeberin erschlösse sich nicht, welche konkrete Handlung sie zu unterlassen habe. Ungeachtet dessen wäre mit den formulierten Verbotsbegehren der Einwand der Arbeitgeberin, sie vermöge nicht zu wissen, ob die Betriebsrats- und Ersatzmitglieder „von zu Hause aus“ an den Sitzungen „teilgenommen“ und ggf. davor oder danach erforderliche Betriebsratstätigkeit ausgeführt haben und könne dies zulässig mit Nichtwissen bestreiten, keiner Klärung im Erkenntnisverfahren zugeführt und damit in das Vollstreckungsverfahren verlagert. Nach Ansicht des BAG verbiete sich auch ein Verständnis der unzulässigen Unterlassungsbegehren als Feststellungsanträge.
Nach Auffassung des BAG sind die Feststellungsanträge ebenfalls unzulässig, da sie den Anforderungen des § 256 Abs. 1 ZPO nicht genügen. Es bestehe bereits kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis. Ein Rechtsverhältnis sei die aus einem konkreten Lebenssachverhalt resultierende Beziehung einer Person zu einer anderen Person oder Sache, die ein subjektives Recht enthalte oder aus der ein solches Recht entspringen könne. Abstrakte Rechtsfragen, bloße Elemente eines Rechtsverhältnisses oder rechtliche Vorfragen seien kein Rechtsverhältnis i.S.v. § 256 Abs. 1 ZPO. Die vom Betriebsrat beanspruchte Feststellung ziele auf eine „Nichtberechtigung“ der Arbeitgeberin, eine näher beschriebene Konstellation („Zeiten, zu denen Betriebsratsmitglieder/Ersatzmitglieder von zu Hause aus als geladene Teilnehmer an Betriebsratssitzungen nach § 30 Abs. 2 BetrVG i.V.m. der Geschäftsordnung des Betriebsrats per Video- oder Telefonkonferenz teilgenommen haben“) einer bestimmten rechtlichen Bewertung zu unterziehen („als unentschuldigte Fehlzeiten zu behandeln“). Nach Ansicht des BAG betreffe dies kein rechtliches Verhältnis eines Beteiligten zum jeweils anderen oder zu einer Sache. Vielmehr erstrebe der Betriebsrat die rechtliche Begutachtung einer Verfahrensweise.
Darüber hinaus fehle es auch an dem erforderlichen besonderen Feststellungsinteresse i.S.v. § 256 Abs. 1 ZPO. Das besondere Feststellungsinteresse des § 256 Abs. 1 ZPO sei nicht gegeben, wenn durch eine Feststellung des begehrten Inhalts eine sachgemäße oder erschöpfende Streitlösung nicht erzielt würde und die Rechtsunsicherheit weiterhin bestehen bliebe. Vorliegend komme der verlangten Feststellung keine Befriedungsfunktion zu, da der Betriebsrat diese auf Zeiten einer „Teilnahme“ von Betriebsrats- und Ersatzmitgliedern an (virtuellen) Betriebsratssitzungen beziehe; die Arbeitgeberin aber eine solche „Teilnahme“ gerade (mit Nichtwissen) in Abrede gestellt habe. Damit wäre die Streitfrage der Beteiligten aber auch bei einer Entscheidung über den Antrag nicht abschließend geklärt.
3. FAZIT
Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zeigt, wie wichtig die korrekte Antragstellung in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren sein kann. Ob ein Unterlassungsantrag hinreichend bestimmt ist oder es sich um einen Antrag auf künftige Leistung handelt bedarf genauer juristischer Prüfung. Auch die vorschnelle Stellung von Feststellungsanträgen sollte vermieden werden, wenn nicht präzise geprüft wurde, ob sie die Voraussetzungen von § 256 Abs. 1 ZPO erfüllen.